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Reden (-2019)

Majestätsbeleidigungsparagraphen umgehend abschaffen § 103 Strafgesetzbuch soll gestrichen werden

Plenarprotokoll 18.05.2016

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind viele Facetten, über die wir bei diesem Tagesordnungspunkt jetzt reden. Es geht um einen Paragrafen aus Zeiten der Fürsten und Majestäten. Es geht um Merkels schmutzigen Deal mit dem Sultan Erdogan. Es geht um Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst. Ich will gerne zu allem etwas sagen, wohl wissend, dass wir im Hessischen Landtag zwar auf allen Feldern zur Willensbildung beitragen können, aber nichts zu entscheiden haben.

Auch wir sind der Überzeugung: Der Majestätsbeleidigungsparagraf passt nicht mehr in unsere Gesellschaft. Er ist selbst nach Auffassung der Kanzlerin entbehrlich. – Ich betone: Er ist nicht nur entbehrlich, sondern er ist auch gefährlich.

Er verführt nämlich dazu, dass Despoten mithilfe dieses Paragrafens versuchen, zu verhindern, Kritik an ihren Fehlhandlungen und Fehlleistungen öffentlich werden zu lassen und öffentlich zu kommentieren. Dieser Gefahr müssen wir vorbeugen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen einen solchen Schutz nicht. Denn auch Majestäten sind Menschen. Alle Menschen sind durch die §§ 185 ff. Strafgesetzbuch vor Beleidigungen geschützt. Wir müssen hier also gar keinen Unterschied machen, schon gar nicht in einer demokratischen Gesellschaft, in der es eigentlich gar keine Majestäten mehr gibt.

Das Strafgesetzbuch regelt Beleidigungsdelikte. Die Delikte umfassen neben Beleidigung auch üble Nachrede, Verleumdung usw. Dennoch enthält das deutsche Strafrecht seit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs einen Anachronismus, der nicht nur seinesgleichen sucht, sondern auch die Gleichheit aller vor dem Gesetz aushebelt. Dabei geht es um diese sogenannten Sonderbeleidigungsdelikte. Das sind die Regelungen über die Beleidigung der Organe. Die Vorredner haben darauf hingewiesen: Es geht auch um den Bundespräsidenten. Es geht um Staatsoberhäupter anderer Nationen. Es geht auch um Staatsbesuche in unserem Land.

Diese Sonderregelungen verstoßen aber gegen unser freiheitlich-demokratisches Grundverständnis. Denn im Art. 3 Grundgesetz steht:

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Das müssen wir durchsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor diesem Hintergrund und wegen des hohen Stellenwerts der Meinungsfreiheit ist eine Ermächtigung der Bundesregierung zur Strafverfolgung nicht vermittelbar. Auch diese Ermächtigung ist absolut unzeitgemäß. Wir haben es in den letzten Wochen erlebt: Denn damit wird das Verhalten von Privatpersonen wie im Fall Böhmermann zu einer Staatsaffäre.

Lassen Sie uns deshalb den alten Zopf der Majestätsbeleidigung abschaffen. § 104a Strafgesetzbuch sollten wir gleich mit abschaffen. Dadurch würden keine Strafbarkeitslücken entstehen. Ich habe ausgeführt: Es gibt genügend Straftatbestände, um die Ehrverletzung von Personen zu ahnden.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Anachronismus tritt natürlich dann besonders deutlich zutage, wenn das ausländische Staatsoberhaupt selbst nicht gerade durch Liebe zum Rechtsstaat, zur Freiheitlichkeit und zur Demokratie auf sich aufmerksam macht.

(Florian Rentsch (FDP): Das ist wohl wahr!)

Wir LINKE lehnen diesen von Frau Merkel ausgehandelten Deal der Europäischen Union mit der Türkei auch deswegen ab. Ein bürgerkriegsführender Despot darf nicht zum Garanten humanitärer Flüchtlingspolitik erhoben werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Welche absurden Konsequenzen dies auch innenpolitisch hat, zeigt sich, wenn Merkel fordert, diese Vorschrift abzuschaffen, gleichzeitig aber Herrn Erdogan im konkreten Fall den roten Teppich für ein Strafverfahren gegen Herrn Böhmermann ausrollt. Das ist nicht nur widersprüchlich, sondern auch im höchsten Maße politisch unklug.

Manfred Pentz (CDU): Ich bin froh, dass Sie politisch immer so klug argumentieren!)

Der Straftatbestand der Majestätsbeleidigung ist ein Herrschaftsmittel, um Proteste und Kritik zu unterdrücken und kritische Bürgerinnen und Bürger einzuschüchtern. Dafür gibt es in einem modernen Rechtsstaat keine Rechtfertigung mehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt unserer Ansicht nach keinen Grund, weshalb der normale Bürger und die normale Bürgerin strafrechtlich anders als ein ausländischer Staatschef behandelt werden sollten. Das gilt umso mehr, wenn es sich bei dem Staatschef um eine Person mit durchaus zweifelhaftem Demokratieverständnis handelt. Er tritt die Pressefreiheit mit Füßen und demontiert den Rechtsstaat. Auch deshalb müssen wir diese Sonderbehandlung abschaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Problem in diesem konkreten Fall ist die Majestät Erdogan, der ein nachhaltig gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit, zur Meinungsfreiheit und zur Freiheit der Kunst hat. Das Problem ist die Kanzlerin, die versucht, diesem Herrn Erdogan, dieser Majestät, gerade alles recht zu machen.

Aktuell versucht Erdogan, die Immunität türkischer Abgeordneter aufzuheben. Das richtet sich vor allem, aber nicht nur gegen Abgeordnete der HDP. Es gibt im Europäischen Parlament eine Petition dagegen. Sie wurde z. B. von Herrn Brok von der CDU und Frau Harms von den GRÜNEN gezeichnet. Sie richtet sich gegen die Aufhebung der Immunität der frei gewählten türkischen Abgeordneten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns durch einen fraktionsübergreifenden Applaus zeigen: Herr Erdogan, lassen Sie die Finger von den Rechten frei gewählter Abgeordneter.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU – Zuruf von der CDU: Ach du liebe Zeit!)

Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen gerne dazu die Chance. Die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Freiheit der Kunst sind nach unserem Grundgesetz höchst zu schützende Güter. Sie stehen in Art. 5 Grundgesetz an prominenter Stelle. Sie werden dort garantiert. Sie sind nicht verhandelbar.

Das vorgesehene Strafverlangen der türkischen Regierung hat bei uns allen zu Recht Befremden ausgelöst. Denn gerade in der Türkei hat man kein besonders gutes Verhältnis zur Presse- und Meinungsfreiheit. Das konnten wir nicht nur in den letzten Tagen und Wochen beobachten.

Wir müssen und sollten hier nicht das Schmähgedicht beurteilen. Es war in eine satirische Gesamtkonstruktion ein- gebettet. Deswegen war das Zitieren im Bundestag in der letzten Woche seitens eines Mitglieds der CDU auch voll- kommen irreführend, von Geschmacklosigkeit ganz zu schweigen.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Das Entscheidende ist die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit und auch die Freiheit der Kunst. Meine Damen und Herren, wir dürfen uns durch einen Erdogan nicht vorschreiben lassen, was bei uns im Land Satire ist. Das dürfen wir uns auch von keinem anderen vorschreiben lassen. Dazu hat das Gericht in Hamburg deutlich gesprochen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will die Situation nutzen, um nochmals darauf hinzuweisen, dass in der Türkei 33 Journalisten im Gefängnis sitzen.

(Florian Rentsch (FDP): So ist es!)

Auf Weisung Erdogans haben 7.000 Journalisten ihren Job verloren. Lassen Sie uns als Vorbild zeigen, was Freiheit ist und dass wir uns in dieser schizophrenen Situation, obwohl es diesen Paragrafen im Strafgesetzbuch gibt – solange es ihn gibt, muss er selbstverständlich auch angewendet werden –, trotzdem nicht erpressen lassen. Dazu gehört nicht nur ein gewisses Standing, sondern auch, dass wir diesen Paragrafen abschaffen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der FDP)

Die Rechtslage, in der wir leben, ist anachronistisch. Denn es ist im 21. Jahrhundert völlig unangemessen, ein Sonderstrafrecht für bestimmte Personengruppen festzuschreiben, die in besonderer Weise Gegenstand einer kritischen Berichterstattung oder einer künstlerisch-satirischen Auseinandersetzung sind. Die präventive Funktion des Strafrechts soll zur Rechtstreue anhalten. Sie darf nicht zur Selbstzensur führen.

Aus all diesen Gründen müssen wir alle Sonderbeleidigungsdelikte unseres Strafgesetzbuches abschaffen. Dazu gehört zuvörderst § 103. Wir dürfen dabei aber nicht stehen bleiben. Es gibt noch mehr Zöpfe abzuschneiden. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

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