Rede von Ulrich Wilken zum Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des hessischen Nachbarrechtsgesetzes und der Hessischen Bauordnung am 7. Juli 2009
Sehr geehrte Damen und Herren,
wenn wir gesamtgesellschaftlich wollen, dass wir CO2-Ausstoß reduzieren und Energie sparen, dann müssen wir es organisieren. Durch die Verbesserung der Energie-Effizienz im Gebäudebestand werden die CO2-Emissionen dauerhaft gesenkt – das Klima freut sich, Heizkosten eingespart – der Geldbeutel freut sich.
Drei Viertel des Energieverbrauchs privater Haushalte fließen in die Raumwärme - gute Dämmung ist in jeder Beziehung eine Investition in die Zukunft.
Arbeitsplätze werden geschaffen – das freut uns alle!
Es verwundert also nicht, dass die Nachfrage bei der energetischen Sanierung bei Eigentümern und Vermietern ständig zunimmt.
Inhaltlich geht der Gesetzentwurf der Landesregierung daher in die richtige Richtung. Die Wärmedämmung an Altbauten enthält gewaltige Energieeinsparungspotentiale. Er knüpft an einen durch aktuelle Entwicklungen entstandenen gesellschaftlichen Bedarf an und versucht, diesen zu regeln. Durch Ausgestaltung entsprechender bau- und nachbarrechtlicher Regelungen soll Streit zwischen Nachbarn vorgebeugt und vermieden werden. Er versucht, Rechtssicherheit zu schaffen.
Durch die Beseitigung der bislang in diesem Bereich bestehenden Rechtsunsicherheit könnte er zugleich auch einen Anreiz schaffen, entsprechende Wärmedämmungsmaßnahmen vorzunehmen. Denn, wenn (Rechts-)Unsicherheit besteht und man nicht abschätzen kann, welche (Rechts)Folgen (Streit mit dem Nachbarn, evtl. Rückbau der Maßnahme…) ein bestimmtes Verhalten – hier die Anbringung von Wärmedämmungsmaßnahmen – hat, sieht man möglicherweise davon ab.
Wir begrüßen, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung eine Entschädigung des durch die Maßnahme betroffenen Eigentümers des Nachbargrundstücks vorsieht. Denn, wir haben es hier mit einem Eingriff in das Eigentumsrecht zu tun. Selbstverständlich stehen wir zu diesem Eigentumsrecht. Und wenn wir aus guten Gründen einen Eingriff hier wollen, dann müssen wir auch regeln, wie eine entsprechende Entschädigung zu leisten ist.
Doch wir sehen durchaus auch ein gravierendes Problem. Ich sagte bereits: Der Gesetzentwurf der Landesregierung versucht, Rechtssicherheit zu schaffen. Er schafft sie aber nicht. Das Problem ist die Formulierung „geringfügige Beeinträchtigung“ (Im analogen grünen Gesetzentwurf ist von „unwesentlicher Beeinträchtigung“ die Rede. D.i. auch nicht hilfreicher). Das Problem ist die Vagheit der Formulierung. Ohne ein nähere Konkretisierung durch eine Legaldefinition vorzunehmen, ist Streit bis in die x-te Instanz um Inhalt/Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals vorprogrammiert.
Um tatsächliche Rechtssicherheit zu schaffen, die neuen Freiheiten des Gesetzes in Anspruch zu nehmen, ist eine Klarstellung dringend notwendig, was eine geringfügige Beeinträchtigung bei der Nutzung des betroffenen Grundstücks ist. Darüber gibt es bisher keine verlässliche Bestimmung. Wenn ein lang dauernder Rechtsstreit droht, dann darf das ja wohl zu Recht als überaus großes Investitionshindernis zu bezeichnen.
Und das ist das Problem: Auch Klimaschutz braucht Rechtssicherheit – da schwächelt die Landesregierung.